Als Integrationshelfer hat man einige Hürden zu nehmen. Zum Beispiel, dass sich immer alle über die Inklusion (für alle, die sich jetzt fragen, was das bedeutet:
hier eine gute Definition des Wortes von "Aktion Mensch") aufregen oder zumindest meinen, sich ein Urteil darüber erlauben zu können. Oder die Lehrer und Eltern bemitleiden. Kaum jemand allerdings interessiert sich aber für die eigentlich mit am meisten Betroffenen dabei, nämlich die
Inklusionshelfer.
Im Prinizip bedeutet das, ein in irgendeiner Form gehandicaptes Kind (aber auch Erwachsene...)zu begleiten, meistens in der Schule oder im Kindergarten, manchmal auch noch in der Freizeit, und ihm dort die individuell benötigte Hilfestellung zu geben.
Das kann Motivation sein, körperliche Pflegetätigkeiten, Hilfe beim Lernen, bei Konzentrationsstörungen eingreifen, Kontakte herstellen, es ist wirklich von Kind zu Kind verschieden.
Es handelt sich hier wirklich um eine Herzensangelegenheit von mir. Meine Schülerin ist sieben Jahre alt und wiederholt gerade die erste Klasse. Sie wurde bei aufwändigen Testungen als geistig behindert eingestuft, da ihr IQ unter 60 liegt. Dafür hat sie wirklich viele tolle Eigenschaften: sie ist sehr sozial, interessiert an anderen Menschen und äußerst feinfühlig ihrer Umwelt gegenüber. Die Mutter wollte sie unbedingt auf einer Regelschule einschulen, für sie kam eine Förderschule nicht infrage.
Gerade in Mathe und Deutsch hat meine Schülerin gravierende Probleme, in dem Tempo der anderen Schüler mitzukommen.
Was genau ist daran jetzt problematisch?
Ich habe einen erlernten Beruf, nämlich Heilerziehungspflegerin mit dreijähriger Ausbildung, den ich sehr gerne ausübe und der ja perfekt zu diesem Job passt. Dennoch werde ich nicht als Fachkraft anerkannt. Obwohl ich mich um eine anerkannt behinderte Schülerin kümmere, interessiert es nicht, dass ich auch wirklich eine Fachkraft BIN. Es wird auf jedem möglichen Weg versucht, Kosten zu sparen und billige Arbeitskräfte für diesen Job zu gewinnen. Genauso ergeht es fast jedem, der in diesem Beruf arbeitet. Kaum einer wird als Fachkraft anerkannt, obwohl viele mir bekannte Inklusionshelfer eine passende Ausbildung haben.
Dementsprechend fällt dann natürlich auch die Bezahlung aus. Der durchschnittliche Bruttolohn eines Inklusionshelfers in NRW beträgt 9,50 € die Stunde.
Es ist ähnlich wie im gesamten übrigen sozialen Bereich: es wird versucht an Fachkräften zu sparen und ungelernte Kräfte (oft Zeitarbeiter) statt derer einzusetzen. Das läuft ja in Seniorenheimen, Behindertenwohnheimen und Werkstätten und vermehrt auch in Krankenhäusern und Kindergärten genauso ab. Ebenso in völlig anderen Tätigkeitsfeldern.
Anscheinend denken die Menschen, dass man keine besonderen Kenntnisse braucht, wenn man sich zum Beispiel um behinderte Menschen kümmert. Das stimmt aber nicht. Auch diese Menschen benötigen Medikamente, mit denen man sich auskennen muss, Ablaufsplanungen, mit denen man je nach Behinderungsbild vertraut sein sollte und zudem muss man natürlich wissen, wie man mit dem bestimmten Behinderungsformen umgehen kann. Es ist nicht unbedingt einfach, einem autistischen Menschen bei einem Ausraster zu besänftigen oder einem Spastiker während seines Anfalls beizustehen. Ebenso ist es mit der ganzen Pflege: man muss wissen wie man einen bettlägerigen Menschen die richtige Pflege zukommen lässt, wie man jemandem das Essen menschenwürdig anreicht, wie man die Menschen lagert...wie man einen ständig zitternden Spastiker rasiert oder ihm die Nägel schneidet...
Wir haben alle schließlich nicht umsonst eine dreijährige Berufsausbildung hinter uns.
Was ich darüber denke...
Ein geistig behindertes Mädchen in der Regelschule zu fördern, zu motivieren, zu integrieren und sie ganz allgemein durch die Grundschulzeit zu bringen, erfordert einiges an Fachwissen, Einfühlungsvermögen und Professionalität. Es ist sehr traurig dass dies nicht annährend honoriert wird.
Ich stehe zudem permanent unter dem Spagat zwischen Lehrern und Eltern des Kindes. Den Lehrern will man natürlich möglichst nicht dazwischen grätschen. Für die ist es auch nicht besonders einfach mit uns Inklusionshelfern. Ich weiß nicht wie ich das fände wenn ich Lehrer wäre und es gewöhnt wäre, mit den Kindern alleine in der Klasse zu sein und auf einmal sitzt dort ein anderer Erwachsener mit in meinem Unterricht.
Es ist gesetzlich auch überhaupt nicht festgelegt wo die Aufgaben des Inklusionshelfers anfangen und die des Lehrers aufhören.
Dies ist ein Artikel darüber aus Lehrersicht, gelesen auf halbtagsblog.de
Meine Schülerin hat die Schule gewechselt und in der alten Schule habe ich sämtliche Tätigkeiten, die eigentlich dem Lehrer inne wären ausgeübt. Ich habe ihr Mathe erklärt, bin mit ihr in den Fächern, in denen sie gestört hat, rausgegangen, habe im Unterricht hauptsächlich mit ihr hinten gesessen und ihr dort die Sachen erklärt, weil sie sich auf ihrem Platz nicht konzentrieren konnte und so weiter und so fort.
Ist das gelungene Inklusion? Das eine Schülerin entweder aus der Klasse hinaus muss oder abgegrenzt von der Klasse hinten sitzt?
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Bild von de.fotalia.com |
Das wären ja auch eigentlich gar nicht meine Aufgabe gewesen, sondern die einer Lehrkraft, beziehungsweise der drei Tage in der Woche anwesenden Sonderpädagogin.
Ich hatte dadurch eine ziemliche Verantwortung. Zudem kommt noch dazu, dass es der ehemaligen Klassenlehrerin ganz gut gefiel, wenn man auch den anderen Schülern zwischendurch etwas erklärt oder beim Austeilen der Lernmaterialien hilft oder in den Pausen Streitschlichter spielt und so weiter.
All das sind Sachen wofür wir gut genug sind. Geht es dann aber darum, bei reflektierenden Gesprächen über das Kind mit Ämtern, Eltern oder zuständigen Rententräger ein Feedback zu geben, werden wir Integrationshelfer selten oder überhaupt nicht genannt. Obwohl wir einen ganz und gar nicht unerheblichen Anteil an der schulischen Entwicklung des Kindes beitragen.
Das Ganze mal beleuchtet mit den Augen einer Mutter:
Die Eltern wiederum hätten natürlich am liebsten, dass ihr Kind völlig aufblüht und ganz normal an der Schule teil haben kann. Natürlich haben sie auch Wünsche, wie ihr Kind in der Schule behandelt werden soll und wie der Integrationshelfer mit den Lehrern dementsprechend umgehen soll. Sie fragen dann, ob man nicht dieses mit dem Lehrer besprechen kann oder jenes umsetzen kann. Das ist ja auch völlig verständlich, ich als Mutter würde genau das Gleiche für mein Kind wollen. Viele Lehrer finden es nur leider nicht so toll, wenn der Integrationshelfer mit Forderungen und Wünschen ankommt. Nicht alle, aber einige sind mit der Integration völlig überfordert und ihnen ist einfach nur wichtig, dass der Unterricht wie gewohnt in seinen Bahnen läuft.
Bitte versteht mich jetzt nicht falsch, ich habe sowohl für Lehrer als auch für Eltern natürlich großes Verständnis. Die Lehrer haben auch ihren Beruf ausgesucht, weil sie Lehrer sein wollten und keine Sonderpädagogen. Ebenso habe ich mir mein Beruf ausgesucht, weil ich fördern und helfen wollte. Ein Lehrer wollte ich ganz sicher nie werden.
Die Lehrer möchten deswegen natürlich, dass das Kind unproblematisch in der Schule mitkommt, die Eltern möchten, dass das Kind mit allen gut klar kommt und möglichst schnell Besserungen zeigt. Zudem ist man für beide jederzeit der Puffer, wenn etwas nicht gut läuft. Mein Kind zum Beispiel hat einen IQ von unter 60 und von mir wird erwartet dass sie normal in der Schule mitkommt. Wie soll das gehen? Vor allem, wenn ich mich dafür einsetze, dass sie wirklich integriert wird und auf ihrem Platz sitzen bleiben darf, wie soll ich ihr dann während dem Unterricht etwas erklären, ohne die anderen zu stören?
Dazu kommen organisatorische Schwierigkeiten...
Natürlich ist es auch immer ein Problem mit den Urlauben, die man ja gezwungenermaßen hat wegen den Schulferien. Ich bin also gezwungen, in den Ferien frei zu machen. Bei den meisten Arbeitgebern, die Integrationshelfer einstellen, wird dann folgendermaßen vorgegangen: die Integrationshelfer sollen sich während den Sommerferien arbeitssuchend melden. Natürlich ist das keine super Lösung wenn man jedes Jahr sechs Wochen zum Arbeitsamt rennen muss. Mein Arbeitgeber, nach dem ich aber auch lange suchen musste, hat es so geregelt dass ich ein Arbeitszeitkonto habe, wo diese Zeiten dann verrechnet werden. Dadurch habe ich natürlich dann allgemein weniger raus.
Es ist für alle Beteiligten keine einfache Sache mit der Inklusion. Das haben sie sich wieder ganz toll ausgedacht. Hauptsache wir schließen ein paar Förderschulen und schreiben uns fett Inklusionsland auf die Stirn. Über die Umsetzung hat sich aber anscheinend niemand wirklich Gedanken gemacht. Es ist ja auch ein toller Gedanke alle Kinder gemeinsam zu beschulen,
aber ich weiß wirklich nicht, ob es für jedes Kind die beste Lösung ist. Die Kinder merken doch oft, dass sie in der Schule nicht mit den anderen mithalten können und igeln sich nach dieser Erfahrung ein. Ob da nicht in manchen Fällen eine Förderschule, wo speziell auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird, ihr Tempo berücksichtigt wird und sie unter anderen Kindern mit ähnlichem Förderbedarf sind, besser für sie wäre?
Dazu fand ich einen Artikel aus dem "Tagblatt" sehr gut, zu lesen
hier!
Gute Ansätze wären eventuell, in jeder Klasse mit Kindern, die speziellen Förderbedarf haben, feste Inklusionshelfer, natürlich mit qualifizierter Ausbildung, einzustellen, die sich dann um mehrere Kinder kümmern könnten. Das wäre auch mein persönlicher Hoffnungsschimmer.
Auch müssten die jeweiligen Aufgaben klarer abgeteilt werden. So oder so gibt es noch eine Menge Gesprächsbedarf von allen Seiten. Für die anderen Regelschulkinder ist es ja auch wichtig, dass die Qualität ihres Unterrichtes nicht leidet, das muss man ja auch berücksichtigen!
Hier noch ein Artikel aus der WAZ darüber, was die Probleme sind, wie schlecht das alles bedacht wurde, wie viel es zudem den Staat auch kostet und wie eine Lösung in Zukunft aussehen könnte.
Wie geht es denn meiner Schülerin?
Auf der neuen Schule läuft es für meine Schülerin bedeutend besser: die Klassenlehrerin ist toll, bisher mussten wir noch kein einziges Mal den Unterricht verlassen und hinten sitzen muss sie auch nicht. Auch wenn sie eine falsche Antwort gibt, geht die Klassenlehrerin flexibel darauf ein und gibt ihr nicht wie die alte das Gefühl, nichts zu können. Im Gegensatz zu der alten Klassenlehrerin erstickt sie auch Gelächter über meine Schülerin und Spott der anderen Schüler im Keim. Ich bin guter Hoffnung, dass wir an dieser Schule ein gesundes Mittelmaß und einen vernünftigen Umgang miteinander finden.